MISEREOR - Kreuzweg für Erwachsene 2017                                                         von Jutta Lehnert Koblenz


 

Einleitende Gedanken zum Kreuzweg

 

Wie entstand die Tradition, den Leidensweg Jesu betend nachzuvollziehen und die Leidenserfahrungen der eigenen Zeit mit hineinzunehmen in Gebet und Meditation? Der Brauch, den Kreuzweg zu gehen, reicht ins 14. Jahrhundert zurück – doch bereits die ersten Gemeinden brachten das Leiden und Sterben Jesu, wie es in den Evangelien berichtet wird, in Verbindung mit den schrecklichen Erfahrungen des jüdischen Krieges (66-70 n. Chr.) und den erlebten Verfolgungen. Die Gewalttat, der Jesus zum Opfer fiel, und die Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch das römische Heer schrieben sich tief in das Gedächtnis der ersten Gemeinden ein – die Erinnerung daran blieb eine Wunde, die sich nicht schließen wollte. Der Todesweg Jesu wurde zu einem Heiligen Weg, an dem man immer wieder innehielt, um sich das Leiden Jesu und das eigene Leiden vor Augen zu führen und im Gebet zu vergegenwärtigen.

 

Im Lauf der Jahrhunderte fügten Solidarität und Frömmigkeit neue Stationen in den Kreuzweg ein. Wer ihn geht und betet, verweigert dem zugefügten Leid die Zustimmung und mobilisiert tief im Inneren Mitleid und Protest. Wer sich vom Schmerz berühren lässt, rührt sich im besten Sinn des Wortes.

 

 

Wir beten den Kreuzweg heute in einer Zeit, die aus den Fugen zu geraten droht. Niemand verfügt über so viel Einfühlungsvermögen, wie nötig wäre. Empathie kann sich erschöpfen. Dann bleibt nur Erschöpfung zurück oder Gleichgültigkeit. Der Kreuzweg hilft, die Haltung des Mitleidens, der Compassion, wieder zugewinnen. Wir beten darum, dass unser Mitgefühl gestärkt werde durch das Erbarmen Gottes.